Zwei plus zwei ergibt vier.
Zumindest meistens. Zumindest, wenn man die fragt, die sich für Zahlen interessieren.
Doch bringt man Menschen ins Spiel, dann kalkuliert man einiges nicht mit ein.
Dann geht die Rechnung oft nicht auf.
Und zählt man zwei und zwei zusammen, dann bleibt manchmal nur eins übrig.
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Die Fahrt quer durch das Land war kein Urlaub.
Wenn Brian seine Blockade hatte, musste er weg von seiner Schreibmaschine. Abstand gewinnen.
Ich bildete mir ein, es wäre eine Chance, uns wieder näherzukommen.
Abstand und Nähe… Warum nur glaubte ich, dass das funktionieren würde? |
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Ein Haus zu verlassen, das man gerade erst bezogen hat… Vielleicht ist es da normal, sich zu fühlen, als käme man nie wieder.
Allein hätten wir die Reise nie finanzieren können.
Zum Glück gab es diese Mitfahragentur, die uns ein Pärchen im gleichen Alter vermittelte.
Zwei plus zwei… |
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Early sagt immer, dass ihm Geld egal ist. Er braucht keins, sagt er. Er will es nur für mich, sagt er.
Und natürlich für so Sachen, die man so braucht, damit man kein Hunger hat und nicht im Regen schlafen muss.
Trotzdem bewahrt er es für mich auf. Weil ich es nur für Quatsch ausgeben würde.
Der Typ im Motel war nett gewesen. Schade um den 600 Dollar Anzug.
Aber Early trägt sowieso keine Anzüge. |
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Der Anfang einer Reise.
Niemals geht man so ganz, sagen die einen.
Man kann nie zurückkehren, die anderen. |
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Ich war gespannt auf die beiden. Wir wussten rein gar nichts über sie.
Brian sagte, sie hätten sofort ihren Anteil bezahlt – sogar noch mehr als vereinbart war.
Dabei sahen sie nicht so aus, als könnten sie es sich leisten.
Early sah so ganz anders aus als Brian. |
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Ich bin total aufgeregt.
Der Wagen ist so ein Traum aus so alten Filmen in Schwarzweiß, hat Early versprochen.
Und so elegant wie der Wagen sehen die beiden auch aus. Vor allem sie. Wie eine, zu der man Sie sagt und der man die Tür aufhält.
Sie sieht so ganz anders aus als ich. |
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Brian redete viel mit Early. Brian redete nur viel, wenn er nervös war.
Early redete wenig, aber ich mochte seine Stimme.
Adele war ein süßes Dummchen. Aber nicht aus Berechnung, wie man es sonst kannte.
Als wir ankamen, wo es erstmals fremd aussah, fühlte ich mich genauso. |
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Carrie und Brian wollen irgendwo essen, wo einen Kellner bedienen. Early sagt nein.
Vor dem Diner steht Elvis, so groß wie King Kong.
Ich lache so laut und schäme mich, weil Carrie nicht mal lächeln muss.
Es muss cool sein, wenn man nicht einfach machen muss, was einem der Kopf sagt. |
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Highlights des ersten gemeinsamen Dinners:
Mann, du hast echt so schöne Haare. Wie ein Rabe. Nur ohne Federn.
Seid ihr beide schon lange zusammen?
Siehst du, Süße? Wer Style hat, braucht keine Farben. Da kommt man mit Schwarz und Weiß aus.
Im Ernst… ich habe so das Gefühl, dass der Burger nicht wirklich vegetarisch war.
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Auch die Unterbringung für die Nacht wählte Early aus. |
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Er sieht manchmal aus, als würden Vögel flattern in seinem Kopf.
Dann sind da so Lichter und Schatten hinter seinen Augen.
Dann regt er sich schnell auf, trinkt und zieht so viel, bis die Vögel ruhig sind in ihm.
Ich bin dann immer ganz still. Sonst bin ich die, die es abkriegt. |
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Im Laufe des zweiten Tages merkte ich zum ersten Mal, dass sich etwas änderte an Brian.
Ich hatte mir gedacht, dass Early ihm gefallen würde. So wie Hemingway oder Kerouac – nur mit Körpergeruch.
Aber ich war überrascht, wie schnell er vom Beobachter zum Nachahmer wurde.
Und das, obwohl Early ihn kaum beachtete… |
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Ich habe Early angebettelt, dass wir die zweite Nacht nicht im Motel verbringen.
Carrie soll wissen, dass wir Kultur haben. Ich weiß noch nicht, wie ich das ihr zeige, aber ein schönes Haus ist schonmal ein Anfang.
Ich denke den ganzen Tag im Auto darüber nach, worüber man sich am Abend unterhalten kann.
Darüber schlafe ich ein und als ich aufwache, habe ich alle Ideen vergessen. |
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Die Kleine tat mir leid. Es waren nur Kleinigkeiten, aber die Art, wie Early mit ihr redete und sie anfasste… während er mit mir sprach.
Ich verkündete, dass es heute Nacht „Partnertausch“ gebe. Ein Witz, den ich gleich bereute.
Adele wollte allerdings nicht reden. Sie wollte hübsch gemacht werden, wie sie sagte.
Ich fürchte, deshalb leben Mädchen wie sie so, wie sie nun mal leben. |
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Wenn Early in eine Bar fährt, fahre ich eigentlich immer mit.
Wenn es dann Ärger gibt, kann ich ihn meistens stoppen, bevor er zu weit geht.
Meistens bin ich der Grund für den Ärger. |
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Brian erzählte mir später nur, dass sie getrunken und gespielt haben.
Dabei trank Brian sonst wenig. Und er spielte nie. |
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Ob Early mich genauso liebt, wie Brian Carrie liebt?
Sie ist so schön und elegant und wertvoll. Ich bin nur hübsch.
Ob Brian sie genauso beschützen kann, wie Early mich beschützt? |
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Am Morgen danach klebte Blut an Brians Hals.
Zunächst dachte ich, es sei Lippenstift.
Einen Moment lang dachte ich: Wie männlich!
Aber es war nicht mal sein Blut. |
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Es hat Early nicht gefallen, wie hübsch mich Carrie gemacht hat.
Da sind ihm wieder seine Hände ausgerutscht, aber er hat mir ja erklärt, dass er da nichts für kann. Ist wahrscheinlich wie bei mir, wenn ich lachen muss, obwohl ich gar nicht will.
Heute übernimmt Early das Steuer. |
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Ich wurde langsam so etwas wie ein stiller Beobachter.
Die Dinge änderten sich spürbar, aber ich konnte es weder definieren, noch ändern, noch sagen, ob ich es reizvoll oder erschreckend fand.
Da ist eine Passivität im Denken, die der Aktivität des Handelns immer unterliegen wird. |
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Early weiß, ich mag keine Knarren. Er weiß, was sie bei mir angerichtet haben.
Schlagen oder mit dem Messer, das ist irgendwie… fair.
Aber die Wucht und das Donnern. Das klingt wie damals, als er Dad und Mom und Danny…
Early hat gesagt, er will nie wieder eine Knarre anfassen!
Woher hat er auf einmal zwei??? |
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Er wusste nicht, worauf er schoss. Aber Flaschen waren es nicht, obwohl es zerbrach wie Glas.
So, oder so ähnlich, hätte es Brian in seinem Buch beschrieben.
Aber ich ahnte an diesem Punkt, dass er es nie vollenden würde. |
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Carrie gefällt es auch nicht.
Sie mag keine Waffen und keine Gewalt.
Was sie von mir denken würde… wenn sie wüsste, womit Early und ich…
Oh Gott, sie darf es nie erfahren! |
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Als ich Brian bat, die Waffe mir zu geben, kehrte etwas Vertrautes in seinen Blick zurück.
Aber er schien gekommen, um Abschied zu nehmen.
Der Stahl der Waffe war noch heiß, als sie in meine Tasche glitt. |
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Wir fuhren weiter.
Aber niemand schaute mehr auf die Karte.
Sie war unwichtig geworden. |
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Warum hat Early hier Halt gemacht?
Will er alles wiedergutmachen?
Er weiß, wie sehr ich Comics liebe. Sie erzählen mir Geschichten, ohne Worte zu benutzen, die ich nicht verstehe.
Ich werde uns allen Comics kaufen. Dann haben wir etwas, um uns abends darüber zu unterhalten. |
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Er war ein schräger Typ.
Keine Ahnung, warum wir dort waren, aber es schien einen Augenblick so, als würde der kindische Kram uns alle irgendwie zur Besinnung bringen.
Dabei hätte ich mittlerweile ahnen sollen, wie Typen wie Early an das Geld kommen, das uns zusammengebracht hatte. |
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Solange er nur droht, ist es in Ordnung.
Der muss nur geben, was Early von ihm will – und dann hauen wir ab, ohne dass es wieder knallt.
Solange er nur entsichert, ist es in Ordnung.
Solange er nur… |
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Was mir im Gedächtnis blieb aus jenem Moment… neben dem schrillen Pfeifen in meinen Ohren, dem dumpfen Röcheln des Opfers und Earlys scharfen Befehlen, zum Wagen zu gehen… war nicht Brians Hand, die nach meiner griff.
Denn sie gab mir nichts. Sie forderte etwas, was ich nicht geben konnte.
Es war Adeles Blick, der so wenig überrascht war. Und doch so angsterfüllt. |
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Ich sitze auf dem Rücksitz mit Carrie und versuche, sie abzulenken.
Ich zähle Comics auf, die ich gelesen habe und frage, welche sie davon kennt. Aber ich glaube, sie kennt keins. Sie starrt nur nach vorn, wo Early mit Brian redet.
Es wäre so schön, wenn ich heute Nacht wieder bei Carrie übernachten kann.
Es wäre so schön, mit ihr irgendwo zu bleiben. Und die Jungs könnten das Geld behalten und den Wagen. Und weit weg fahren... |
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Adele plapperte so lange, bis ich mich ihr endlich zuwandte.
Ich berührte sanft ihren Nacken und sofort schwieg sie.
Alles in diesem Wagen hatte seinen Platz getauscht.
Dies war nicht mehr Brians Auto. Und sie nicht mehr Earlys Mädchen. |
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„Du kannst nicht alle umbringen, Early!!! Weil… weil…“
Ich bin nicht gut im Reden.
Immer, wenn ich einen wichtigen und wahren Gedanken habe, lassen mich die Worte allein.
Aber diesmal nicht.
„Ich hasse dich, Early! Ich habe dich nicht mehr lieb! Du machst alles kaputt!!!“ |
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Er schaute zurück und an mir vorbei, als wäre ich unsichtbar.
Mir war klar, dass er sie umbringen würde.
Und danach auch mich und Brian.
Aber das war nur Nebensache für ihn. Und für mich in jenem Moment auch. |
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Wenn ich lange durchhalte, hat Carrie genug Zeit, um abzuhauen.
Ich muss lange durchhalten. Ich habe ja Übung.
Ich darf nur nicht zu schnell ohnmächtig werden.
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Von Brian war nichts mehr übrig. Selbst sein Schweigen war ohne Aussage.
Er war praktisch nicht mehr da, seit… seit…
…
Der Stahl war jetzt eiskalt. |
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Zwei plus zwei ergibt vier.
Doch manchmal geht die Rechnung nicht auf.
Und zählt man zwei und zwei zusammen… oder auch eins und eins… dann bleibt manchmal nur eins übrig. |